KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) will berufliche Bildung stärken / Interview mit „Das Parlament“
Interview aus der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 4. Dezember 2017):
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), will das Ansehen der beruflichen Ausbildung in Deutschland stärken. In einem Interview mit der Berliner Wochenzeitung „Das Parlament“ (Ausgabe 27. November) sagte sie: „Dass berufliche und akademische Bildung gleichberechtigt sind und die duale Ausbildung gleichwertig neben dem Hochschulstudium steht, muss sich wieder stärker in der gesellschaftlichen Wahrnehmung verankern. Da ist in den vergangenen Jahren ziemlich viel verrutscht.“
Die KMK, bei der die berufliche Bildung 2017 der Schwerpunkt ist, wird laut Eisenmann Ende des Jahres eine Umsetzungsstrategie „Berufliche Bildung in Deutschland“ verabschieden.
Eisenmann kritisierte, dass „viele Eltern glauben, der einzig erfolgreiche Weg in die Zukunft führt über Gymnasium, Abitur und Hochschulstudium. Dass der promovierte Kulturwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich mehr gefragt ist und mehr Geld verdient als ein Schreinermeister, auf diesen Beweis warte ich allerdings noch.“
Eltern seien zunehmend überfordert mit der Frage, was der richtige Weg für ihr Kind ist. „Wir stellen auch fest, dass bei vielen Jugendlichen und Eltern völlig falsche Vorstellungen über Berufsbilder existieren“ sagte Eisenmann. „Zu wenige wissen zum Beispiel auch, dass nach einer dualen Ausbildung ein Studium angeschlossen werden kann.“
Das Interview im Wortlaut:
Frau Eisenmann, hierzulande wird viel vom Erfolgsmodell duale Ausbildung gesprochen. Aber sehr viele Schüler wollen zum Gymnasium und später zur Uni. Es gibt in Deutschland mehr Studienanfänger als neue Lehrlinge. Was wollen Sie gegen diesen Trend tun?
Wenn man die internationale Aufmerksamkeit für unsere duale Ausbildung sieht, gilt manchmal der Prophet im eigenen Land nichts. Dass berufliche und akademische Bildung gleichberechtigt sind und die duale Ausbildung gleichwertig neben dem Hochschulstudium steht, muss sich wieder stärker in der gesellschaftlichen Wahrnehmung verankern. Da ist in den vergangenen Jahren ziemlich viel verrutscht. Deshalb ist der Schwerpunkt berufliche Bildung der Kultusministerkonferenz (KMK) 2017 völlig berechtigt.
Die KMK wird Ende des Jahres eine Umsetzungsstrategie „Berufliche Bildung in Deutschland“ verabschieden. Da soll aufgezeigt werden, welche Wege es in einer dualen Ausbildung gibt. Welche Möglichkeiten man zur Weiterqualifizierung, zur Fortbildung bis hin zum Meister hat. Das alles erscheint im Vergleich zum Hochschulstudium minderwertiger, ist es aber nicht. Das muss verdeutlicht werden. Man muss die berufliche Bildung in den Schulen stärker verankern. Wir in Baden-Württemberg tun dies. Das Ganze ist ein Prozess und geht nicht von heute auf morgen.
Gerade bei Eltern ist die Ansicht verbreitet, durch ein Studium hätten ihre Kinder später mehr Chancen und auch die Verdienstmöglichkeiten seien größer.
Viele Eltern glauben, der einzig erfolgreiche Weg in die Zukunft führt über Gymnasium, Abitur und Hochschulstudium. Dass der promovierte Kulturwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich mehr gefragt ist und mehr Geld verdient als ein Schreinermeister, auf diesen Beweis warte ich allerdings noch.
Eltern sind zunehmend überfordert mit der Frage, was der richtige Weg für ihr Kind ist. Wir stellen auch fest, dass bei vielen Jugendlichen und Eltern völlig falsche Vorstellungen über Berufsbilder existieren. Zu wenige wissen zum Beispiel auch, dass nach einer dualen Ausbildung ein Studium angeschlossen werden kann.
Ein Problem sind auch die Unternehmen, die oft die als Bewerber für die Ausbildung mit dem höchsten Schulabschluss nehmen und den Real- oder Hauptschüler übergehen. Was sagen Sie solchen Firmenchefs?
Ich werbe dafür, dass wir diesen Jugendlichen die Perspektive geben, die sie tatsächlich verdient haben und brauchen. Wir haben sehr gute Haupt- und Realschüler, die leider große Probleme haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Die Tendenz, lieber einen Abiturienten zu nehmen, auch wenn er mal sitzengeblieben ist, als einen Real- oder Hauptschüler mit gutem Abschluss, ist falsch. Die Unternehmen sind gefordert, den Kindern und Jugendlichen die entsprechende Perspektive zu geben. Sonst werden wir noch lange über Fachkräftemangel klagen.
Das Thema berufliche Bildung war zuletzt 1997 ein Schwerpunkt der KMK. Warum stand das Thema trotz der angeblichen Dringlichkeit so lange nicht im Fokus der Bildungspolitik?
Vielleicht ist die berufliche Bildung in den vergangenen Jahren zum Stiefkind der Bildungspolitik geworden, weil sie sich im Grunde gut weiterentwickelt hat. Die größten Probleme haben sich an den allgemeinbildenden Schulen abgespielt und der Blick hat sich dorthin konzentriert. Ich bin seit Mai 2016 Kultusministerin und es war der baden-württembergische Vorschlag für die KMK 2017, die berufliche Bildung, in den Mittelpunkt zu stellen. Es war mehr als überfällig, dies wieder zu einem Schwerpunkt zu machen.
Kaum irgendwo gibt es mehr Quereinsteiger unter den Pädagogen als an den Berufsschulen.
In Baden-Württemberg gehen wir diesen Weg bei den beruflichen Schulen zum Teil ganz gezielt. Lehrer mit beruflichen Erfahrung, die eine pädagogische Zusatzausbildung haben, können den Schülern in der Berufsbildung ganz andere Einblicke geben als reine Pädagogen. Deshalb setzen wir in einem gewissen Maß bewusst auch auf Seiten- und Quereinsteiger, weil wir wissen, dass dies für die Ausbildung sehr hilfreich ist.
Viel ist die Rede von jungen Flüchtlingen als Chance der Belebung für die Berufsschulen. Man hört aber von großen Vorbehalten dieser Klientel gegen die duale Ausbildung. Wie ist die Lage?
Das ist richtig. Ich bin dankbar, dass das Handwerk und die Unternehmen Ausbildungsplätze für geflüchtete Jugendliche anbieten. Man braucht dafür natürlich eine gewisse Sprachkompetenz. Es ist nicht einfach, diesen Jugendlichen das Thema duale Ausbildung zu vermitteln. Viele jobben schon und verdienen Geld. Ausbildung heißt zunächst weniger zu verdienen. Aber nachher gibt es alle Möglichkeiten auf dem Ausbildungsmarkt. Wir arbeiten gemeinsam mit Kammern, Gewerkschaften und Unternehmen daran, hier ein anderes Bewusstsein zu erzeugen.
Jeder dritte Hochschüler bricht sein Studium ab. Sollte man dieses Potenzial für die Berufsschulen mehr in den Blick nehmen?
Sicher. Wir haben Studiengänge mit 40 Prozent Abgängen im dritten oder vierten Semester. Davon machen dann über 60 Prozent eine duale Ausbildung. Da wäre es besser, wenn sie gleich nach dem Abitur den Weg in die duale Ausbildung wählen. Dass die Alternative duale Bildung manchmal der bessere Weg für junge Menschen ist, ist in den Köpfen noch nicht richtig verankert. Auch nach dem Abitur kann man eine duale Ausbildung machen. Wir in Baden-Württemberg haben deshalb einen Tag der beruflichen Orientierung in allen weiterführenden Schulen inklusive Gymnasien eingeführt.
Auch an den Berufsschulen wird viel von der Digitalisierung gesprochen. Was bringen dort Smartboard und Laptop im Unterricht?
Im beruflichen Bereich ist der Einsatz digitaler Medien sehr wichtig und viel zielführender als etwa an Grundschulen. Ich halte bei Kindern im Grundschulalter den Medieneinsatz für schwierig, weil dort Lesen, Schreiben, Rechnen und das Fördern der Konzentration am wichtigsten sind. In beruflichen Schulen ist der Einsatz von digitalen Medien wichtig, weil man dort automatisierte digitalisierte Ablaufprozesse erlernt, die später der Arbeitswelt entsprechen. Der Laptop hilft auch zum Teil bei Berechnungen im naturwissenschaftlichen Bereich und erleichtert das Verständnis.
Das Jahr ihrer Präsidentschaft in der KMK neigt sich dem Ende zu. Können Sie schon eine Bilanz ziehen?
Wir werden auf der letzten Kultusministersitzung im Dezember ein abgestimmtes Vorgehen der 16 Bundesländer beschließen, wie wir das Thema berufliche Bildung stärken wollen. Wir haben in diesem Jahr aus dem KMK-Ausschuss „berufliche Bildung“ einen Hauptausschuss gemacht. Er steht nun gleichberechtigt neben den anderen Schularten in der KMK. Das soll zeigen, dass wir das Thema berufliche Bildung dauerhaft in Deutschland voranbringen wollen. Ich hatte im September ein Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier, der das Thema 2018 in einer Woche der beruflichen Bildung in Abstimmung mit der KMK auch zu einem Schwerpunkt machen will. Das sehe ich als Erfolg für die berufliche Bildung und ihr Ansehen in unserem Land.
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Text: Deutscher Bundestag